Der Kapitalismus lebt von Krisen und diese sind als eine der beiden Zustände in der Konjunktur beschrieben. Die Berufsgruppen, die zu den Verlierern gehören, waren auch vor der Krise stark angeschlagen mit Ausnahme von Wirecard. Aber nach der Krise geht die Wirtschaft wie die Deutsche meist gestärkt raus, weil Unternehmen sich verbessern und anpassen. Die die sowieso in der Krise waren, fallen weg, da sie unzureichend kompetetiv sind und meist viel zu wenig innovativ.
Wenn ich das Geschriebene jetzt jemanden aus der Tourismus Branche erkläre, der gerade sein Job verloren hat, wird er mich wahrscheinlich körperlich angreifen. Als Akademiker lässt sich immer leicht mit solchen theoretischen Überlegungen argumentieren, ist im Endeffekt aber nicht hilfreich. Deswegen befürworte ich wie auch fast alle Ökonomen staatliche Hilfen für ausgewählte Unternehmen und Arbeitnehmer. Die Senkung der Steuer war nur eine von zahlreichen benötigten Maßnahmen.
Sorry, aber das ist purer Nonsens. Vorallem der erste Teil offenbart eine Marktnaivität sondergleichen. Alle Unternehmen, die gerade in der Krise sind, waren sowieso "unzureichend kompetetiv" und "viel zu wenig innovativ"? Imgrunde hast du deine Entschuldigung für solche Aussagen ja schon mitgeliefert, aber ich frage mich trotzdem, warum du dann so einen Stuss schreibst?
Durch die Coronakrise bricht in vielen Branchen der Umsatz teilweise komplett weg. Null-Komma-Null Umsatz weil die Geschäftsgrundlage zerstört wird und nun gehen dort Unternehmen reihenweise pleite. Diese Unternehmen waren also nicht kompetetiv genug? Jane, ist klar. Vermutlich müssen sie nur ganz fest an die Selbstregulierungskräfte des Marktes glauben, dann kommt das alles schon wieder, hm?
Also: Krisen wie die aktuelle betreffenden die gesamte Wirtschaft. Uns steht eine Rezession bevor, wie sie die BRD noch nie erlebt hat, wir haben aktuell über 10 Millionen Menschen in Kurzarbeit und es werden in der nächsten Zeit ein Haufen Menschen arbeitslos und eine Menge Unternehmensinsolvenzen stehen uns bevor. Wir befinden uns erst am Anfang einer wirtschaftlichen Krise, die noch niemand abschätzen kann. Natürlich gibt es auch Krisengewinner und ich will gar nicht abstreiten, dass derartige Probleme, die Kreativität ankurbeln, es ist allerdings ziemlich billig darauf alles zu schieben und zu sagen, wer das nicht schafft, hat es nicht anders verdient.
Achja und die Senkung der Umsatzsteuer um 3% war bescheuert. Klassisches Gießkannenprinzip: "Wir streuen mal Geld auf alle, dann kommt ein bisschen bei jedem an und alle sind zufrieden. " Es hätte tausend sinnvollere Maßnahmen gegeben, zum Beispiel Konsumgutscheine, eine Einmalzahlung an alle Haushalte..die Frage ist ja immer: Was möchte ich bezwecken. Der Sinn einer Ust.-Senkung ist ja durch niedrigere Preise die Konsumbereitschaft zu erhöhen. Aber hat das wirklich den gewünschten Zweck? Vorallem in der Krise?
Diejenigen, die sowieso Probleme haben, mit ihrem Geld über die Runden zu kommen, zum Beispiel Menschen im Niedriglohnsektor (jaja, hätten sie mal mehr für ihre Ausbildung getan, Selbstschuld diese Verlierer unserer Gesellschaft..), müssen ihre Konsumausgaben sowieso tätigen. Miete, Strom, Wasser, Lebensmittel, Benzin, Versicherungen. Von denen gehen in der Krise die wenigsten her und sagen: "Ach, nur noch 16 statt 19 Prozent Umsatzsteuer? Ja dann hol ich mir jetzt mal nen neues Auto." Nein, die sind höchstens froh, wenn sie dadurch ein paar Euro bei ihren normalen Ausgaben sparen können. Es sind aber gerade diese Menschen, die dringend Unterstützung brauchen (man kann eine ähnliche Rechnung auch für Normalverdiener machen, es lässt sich viel mithilfe von Haushaltstheorie erklären, bei Bedarf kann ich da gern noch näher drauf eingehen).
Ein Konsumgutschein z.B. über 1000€ pro Haushalt plus 500€ für jedes Kind hätte bei gleichen Kosten einen wesentlich größeren Effekt gehabt, weil es unmittelbar zum Konsum anregt, niemanden Vor- oder Benachteiligt und bei den richtigen Leuten ankommt. Ich geb nurmal nen kleines Beispiel, was die Ust. Senkung bewirkt hat. Der FC Bayern spart beim Kauf von Leroy Sané 1,26 Millionen Euro. Das funktioniert doch wunderbar, oder?
Wir können gerne über Fakten sprechen, weil mir dein Text zeigt, das einige Berichterstattungen über weinende Bäcker für die komplette deutsche Wirtschaft verallgemeinert werden. Wenn ich mir die DAX Unternehmen anschaue, kann ich kein Unternehmen ausmachen, welches auch nur ansatzweise von Zahlungsunfähigkeit oder gar Pleite bedroht ist. Die Lufthansa, welche zwar nicht mehr im DAX ist, konnte sich auch erholen bevor der Staat ein Teil des Unternehmen verstaatlichen musste (
https://www.deraktionaer.de/artikel/aktien/lufthansa-weiterhin-hohe-nachfrage-20204931.html). Am Beispiel Lufthansa sieht man: Es wird angepasst und reagiert. Airlines verdienen sowieso am meisten mit der Aviation Logistic und haben kein Totaleinbruch des Umsatzes. Das zu den großen Unternehmen. Sollte eines von denen pleite gehen, dann kann man wirklich von einer Krise sprechen und das wirkt sich dann auch gewiss auf die Arbeitslosenquote aus. Hier zur aktuellen Lage von der Agentur für Arbeit:
30.07.2020 „Der Arbeitsmarkt steht wegen der Corona-Pandemie nach wie vor unter Druck, auch wenn sich die deutsche Wirtschaft auf Erholungskurs befindet. Der massive Einsatz von Kurzarbeit hat stärkere Anstiege der Arbeitslosigkeit und Beschäftigungsverluste verhindert.“, sagte der Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit (BA)Wenn Unternehmensinsolvenzen bevorstehen sollen, muss man die mittelständischen Unternehmen betrachten. Doch inwiefern brechen in vielen Branchen der Umsatz komplett ab? Bis auf die offensichtlichen fällt mir jetzt nicht ein wie das durchschnittliche mittelständische Unternehmen keine CFs mehr generieren kann, wenn dieses Unternehmen nicht zufällig eine Restaurantkette ist. Die Einbrüche in den globalen Supply Chains sind aktuell kaum noch ein Grund für Produktionsstopps, da die Chinesen bei sich alles schnell unter Kontrolle gebracht haben. Die Unternehmen die wahrscheinlich pleite gehen, sind wie schon gesagt Unternehmen in der Gastronomie oder der Tourismusbranche. Da sind andere Länder deutlich stärker betroffen. Und ja ich glaube, dass die Restaurants die jetzt pleite gehen, sowieso nicht gut gewirtschaftet haben und auf sowas nicht vorbereitet waren. Aber nicht jedes Restaurant geht sofort pleite. Manche stellen um auf Lieferdienste und können trotz staatlichen Verboten weiter CFs generieren.
Und deswegen bleibe ich bei meiner Aussage, dass vor allem in den Feldern der Wertschöpfungsketten und der Supply Chains deutlich Verbesserungen als Reaktion auf die Krise entstehen, damit in Zukunft kurzfristige Produktionsstopps aufgrund von JiT Lieferungen minimiert werden. Dadurch wird die komplette deutsche Wirtschaft krisenresistenter und verliert zum Teil die große Abhängigkeit von chinesischen Zulieferern. Die Debatte der Rückverlagerung der Produktionsstätten nach Europa ist auch ein aktuell sehr interessantes Thema. Auch im Hinblick auf den Umweltschutz.
Man muss nicht an das Wunder der Selbstregulierungskräfte glauben, um zu sehen, dass Deutschland bei weitem nicht so stark und krass betroffen ist, wie einige apokalyptische Botschaften es behaupten. Das wir konjunkturell in die Rezession gehen, ist jedoch höchstwahrscheinlich für 2020. Alle Prognosen wurden stark nach unten angepasst. Aber nach der klassischen Ökonomie ist eine Rezession genau so natürlich wie ein Boom. Dein beschriebenes Szenario wäre wirklich der Worst Case, der zwar mit einer geringen Wahrscheinlichkeit eintreten kann, aber andere Szenarien doch wahrscheinlicher sind. Dazu die Wirtschaftsweisen:
"Im Basisszenario, dem ausgehend von der aktuellen Informationslage wahrscheinlichsten Szenario, geht der Sachverständigenrat davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage über den Sommer, ähnlich dem sich abzeichnenden Verlauf in China, normalisiert. Für das Jahr 2020 käme es dann im Basisszenario zu einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Höhe von -2,8 %. Im kommenden Jahr könnten Aufholeffekte sowie ein hoher statistischer Überhang das Wachstum auf 3,7 % ansteigen lassen." (
https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/sondergutachten-2020.html)
Zu den staatlichen Maßnahmen. Wie ich schon geschrieben habe, müssen viel mehr Eingriffe passieren. Ich bin auch kein Fan der Steuersenkung, aber es ist immerhin irgendeine Maßnahme. Hier lässt sich für Deutschland glaub ich sehr schön die Ricardo-Barro-Äquivalenz erklären. Die Regierung probiert mit ihren Maßnahmen die Konjunktur anzukurbeln und senkt dafür die Steuern. Die Wirtschaftssubjekte passen jedoch ihre Erwartungen an und erwarten für die Zukunft, dass die Steuersenkung, aufgrund der höheren Staatsverschuldung, im gleichen Umfang auch wieder erhöht wird. Durch die Steuersenkung steigt demnach die Sparquote. Diese Äquivalenz lässt sich empirisch sehr schwer beweisen und manchmal wird die Konjunktur sogar doch angekurbelt, jedoch ist die Erhöhung der Sparquote meiner Meinung nach für Deutschland aktuell der Fall. Das hast du ja ganz gut beschrieben mit den Menschen aus dem Niedriglohnsektor. Ein weiterer Grund ist auch die Ungewissheit für die Zukunft und da sparen Menschen immer mehr als sonst.
Deine Aufzählungen von einigen Maßnahmen sind Maßnahmen die auch ich unterstütze. Konsumgutscheine oder Einmalzahlungen. Die EZB hätte schon längst Helikoptergeld bereitstellen müssen und warum sie das nicht macht ist wiederum ein ganz neues und anstrengendes Themengebiet.
Man darf aber nicht vergessen, dass die Bundesregierung mit dem Wirtschaftsministerium Direktgeld für Selbstständige, kleine, mittelgroße und große Unternehmen nach Antrag bereitgestellt hat. Meine Mutter ist selber selbstständig und bekam auch eine Geldsumme, die vom Ministerium anhand verschiedener Kriterien ausgestellt wird. Hier zu den einzelnen Maßnahmen (
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Coronavirus/coronahilfe.html)
Das nicht jeder selbstständig ist und andere es wahrscheinlich mehr bräuchten steht außer Frage. Die vorgestellten Maßnahmen der Wirtschaftsweisen halte ich für aktuell ausreichend. Die Bundesregierung setzt derzeit aber davon kaum was um. (
https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/sondergutachten-2020.html#abb2)
Man könnte für die USA analysieren wie erfolgreich diese Stimulus Checks waren, ich weiß jedoch nicht ob es dazu schon genaueres gibt.
Und bevor ihr mich in der Luft zerfetzt, nein ich studiere nicht VWL, da diese Wissenschaft meiner Meinung nach sehr selten empirisch allgemeingültig ist und je nach Ausgangslage für unterschiedliche Szenarien teilweise das Gegenteilige gilt. Auch die Nutzung von Modellen, die extrem vereinfacht werden, helfen der ganzen Sache nicht. Warum das so gemacht wird, kann ich gewiss nachvollziehen. Die Komplexität hinter den von Modellen erklärten Sachverhalten ist unbeschreiblich. Ich bin Offizier und studiere in München Wirtschaftswissenschaften mit Fokus auf Logistik und Supply Chain Management und werde ab Oktober dieses Jahr meine Bachelorarbeit schreiben. Dank meines Studiengangs konnte ich jedoch einen kleinen und auch anstrengenden Blick auf die VWL werfen und bin glücklich einfach nur meine Supply Chains optimieren zu können.