Author Topic: Bergrettung, ein kleiner Rant  (Read 1318 times)

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Offline Ted

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Bergrettung, ein kleiner Rant
« on: August 18, 2019, 12:16:11 pm »
-->  https://www.br.de/nachrichten/bayern/bergwaechter-am-limit-die-schattenseite-des-alpen-booms,RZ93DsL


Ich weiß - viele wird es nicht betreffen, aber ich fühle mich trotzdem gerade müßig genug, das Folgende trotzdem zu schreiben. Auch der Beste kann mal in eine Situation kommen, die zur Verletzung führt. Das Risiko ist für jeden da, wenns passiert - keine Schande. Nur manche Sachen wären dermaßen vermeidbar, dass man sich als in entsprechender Region beheimateter Mediziner einfach nur wünscht, dass Betroffene es vorher gewusst hätten bzw sich damit befasst hätten. In dem Sinne: falls es auch nur einem was bringt, hats sich direkt gelohnt.

Das gilt nicht nur fürs Hochgebirge, sondern insgesamt fürs unwegsame Gelände.

Und wer sich fragt, warum ich hier solche Allgemeinsachen bringe, weil das doch eh selbstverständlich ist, macht mich glücklich.


Häufige Probleme

- Zu schnell im Abstieg: Die weitaus meisten Unfälle passieren tatsächlich beim Bergwandern. Gerade die letzten paar hundert Höhenmeter werden häufig geradezu gerannt, nicht auf den vermeintlich sicheren Weg geschaut, und durch erschöpfte Kondition sich auch wenig kontrolliert bewegt. Folge: Abrutschen, Abknicken, Abstürzen, das auch unter tausend Höhenmetern. Oft reicht dafür eine einfache Wurzel, ein Stein oder etwas abschüssiger Kies. Mit Glück: Schürfwunden, Bänderrisse. Nomal: auch komplizierte Bänderrisse, Sprunggelenks- und US-Frakturen. Mit Pech: Bruch mit Verletzung von Nerven und Gefäßen, bis hin zum Tod durch Verbluten. Viel Pech: Eigtl mit zeitnaher Behandlung überlebbar, Wetterlage erschwert aber Rettung bis ins Unmögliche. Exitus.
Also: Bergab mindestens so kontrolliert bewegen wie bergauf.
- Falsche Schuhe: Mit dem oben genannten geht dieser Punkt einher. Seitlicher Umknickschutz ist immer dann äußerst empfehlenswert, wenn der Weg zu steinigem Gelände wird, unabhängig von der Höhenlage.
- Absolut keine Erste-Hilfe-Ausstattung: Heftpflaster, Wundkompressen und Fixierbinden nehmen wirklich nicht viel Platz weg und wiegen weniger als untern noch erwähnte GoPro, sind aber oftmals trotzdem nicht vorhanden. Es braucht kein komplettes Erste-Hilfe-Set wie aus dem Auto, sondern einfach einen Grundstock. Damit kann man schon viel bewegen. Spezifische Fragen beantworte ich gerne und jederzeit.
- Keine Erste-Hilfe-Kenntnisse: Bergwacht muss erstmal 10 Kilometer laufen, Heli ist gerade unterwegs, sonst keiner da? Saublöd, umso besser, wenn zumindest grundlegende Kenntnisse vorhanden sind. Auffrischungskurse alle paar Jahre tun echt nicht weh und bringen vor allem auch psychische Sicherheit!
- Zu wenig Getränke dabei: Auch im Mittelgebirge ein absolut unterschätztes Problem. Exponierte Lagen = viel Sonne, das ergibt gerne einen Hitzschlag. Lieber ein Liter mehr als weniger, das Kilo machts nun auch nicht aus!
- Kein Sonnenschutz: Ähnliches Problem wie oben. Schwere Sonnenbrände, vor allem aber auch - in genannten exponierten Lagen - mangels Schatten Sonnenstich. Hirnschwellung --> Koma durchaus vorkommend. Kann tödlich enden.
- Orientierungsverlust: Kartenlesen hilft. Nicht aufs GPS verlassen. Eigentlich selbstverständlich, häufiger aber das Problem als man so glaubt.
- Fehlendes Wetterbewusstsein: Gewitter am Berg ist doof, auch im Mittelgebirge. Nasse Steine/Wurzeln sind glitschig, siehe Punkt 1. Im Zweifel Einheimische fragen.
- Mangelnde Höhengewöhnung im psychischen Sinne: Das meint nicht einmal Höhenangst, sondern den physiologischen Höhenschwindel. Der ist normal und betrifft mich sogar etwas stärker als normal, dementsprechend muss ich mich auch immer erst wieder gewöhnen, wenn ich längere Zeit nicht "oben" war. Ab einer bestimmten Höhe kommt es zum Schwindel, weil äußerst grob gesagt das Auge den räumlichen Seheindruck nicht mehr korrekt auflöst und das Gehirn dementsprechende Fehlverarbeitungen im Zusammenspiel mit dem Gleichgewichtssinn nicht mehr interpretieren kann. Führt häufig zum Absturz oder zur Höhenblockade, d. h. der Betroffene kann aus psychischen Gründen nicht mehr weitergehen und muss dann gerettet werden. Hilfreich sind im Fall der Fälle Blick auf den Weg, kein Blick in die Ferne/Tiefe, kein Seitwärtsneigen des Kopfes (erfordert auch Koordination Gleichgewicht + Seheindruck). Im schlimmsten Fall Pausen und auf ausgesetzten Passagen Weiterbewegung auf allen Vieren. Desto näher man dem Boden und je stabiler man positioniert ist, desto geringer der Schwindel.
- "Go-Pro-Menschen": Noch nie im Leben Ski gefahren, noch nie im Leben Klettersteig-Gegangen etc? Dann am Besten auf das Erlernen der Fähigkeit konzentrieren, weniger auf die Außendarstellung. Wirklich. Rein subjektiv fällt mir leider auf, dass gerade hier die anderen gennanten Punkte häufig noch dazu kommen. (Wers kann, kanns natürlich auch dokumentieren. Aber das ist die Kür, nicht die Grundlage)
- Mangelnde Höhenakklimatisation: Betrifft eher Touristen aus dem Flachland. Wer am Meer lebt, ist, wenn überhaupt, ein paar hundert Höhenmeter gewohnt. Auf 3000m fällt unter diesen Umständen die Sauerstoffsättigung aber schonmal von >90% auf 70% ab, dementsprechend dramatischer wirken sich mangelnde Kondition und ähnliche Grundlagengeschichten aus. Auch Höhenkrankheit kann dann zum Problem werden.
- Fehleinschätzung Klettersteig: Klettersteige sind prinzipiell gut gesichert. Da das Klettersteigset aber keinen vernünftigen Rumpfhalt bietet und Seilfederung quasi nicht vorhanden ist, wird der Sturz vom häufig auch unerfahrenen Kletterer nur schlecht abgefangen und oftmals kaum kontrolliert. Kollision mit Stahlseilen/Steinen/Haken/ANDEREN KLETTERERN
- Falsche Gruppenstellung im falschen Gelände: z. B. beim Queren einer Skipiste bitte keine zwei Leute nebeneinander - stürzt einer, stürzt der andere auch. Entweder er überrollt den abschüssig-Stehenden oder derjenige versucht sich am gipfelwärts-Stehenden festzuhalten und reißt den anderen mit. Auch auf roten Pisten schon sehr gefährlich.


All diese kleinen Geschichten sind schon im Wald problematisch, noch dümmer schauts am Berg aus. Da reicht dann nicht der hauptamtliche Regelrettungsdienst, sondern es kommen ehrenamtliche Bergretter zur Hilfe. Die Einsatzleiter müssen sich dafür dank 24-Stunden-Bereitschaft oft sogar Urlaub nehmen. Das ist natürlich einfach aufwendig. Häufig brauchts dann auch einen Hubschrauber, denn selbst wenn "nur" das Sprunggelenk kaputt ist, ist der Abstieg nicht mehr möglich.
Die Leute, die kommen, machen das gerne und für jeden. Wie gesagt, ein Unfall kann jedem mal passieren. Es wäre nichtsdestotrotz schön, wenn zumindest die Einsatzzahlen, die auf oben gennantes zurückgehen, wieder etwas sinken würden.  :P



Darwin-Award würdig
Klettersteigset nicht am Klettergurt, sondern am Gürtel.
Stöckelschuhe am Berg.
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« Last Edit: August 18, 2019, 07:18:53 pm by Ted »
Dat kid who put up a global banlist back in Betty's times.
Former Regiments: 7te Kurmarkische Landwehr, 6te Ulanen, kk Kürassierregiment Nr.4, kk Bombardier-Regiment Nr.3, kk AR Nr.2, GGR Nr.4, Artillerie im Kö.Preuß.IR Nr.33.
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Offline Fairas

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Re: Bergrettung, ein kleiner Rant
« Reply #1 on: August 18, 2019, 04:19:51 pm »
Im Forum hier wirst du damit aber nicht viele erreichen. Die Info gehört in die Übernachtungsmöglichkeiten vor Ort oder gleich auf die entsprechenden Webseiten.

Offline SilverBolt

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Re: Bergrettung, ein kleiner Rant
« Reply #2 on: August 28, 2019, 09:31:45 am »
Danke für die Info. Werd ich im mittelhessischen Hochgebirge sicher brauchen