Feldbericht:
Roter Schnee
„Liebste Lotte,
ich schreibe dir aus dem Feldlager und sage dir, du fehlst! Das Essen ist grausig und die Wärme bleibt auch fern. Ach Lottchen! Wie geht es den Kindern? Helfen sie Dir auch im Haus? Ich hoffe es doch, denn meine Heimkehr wird andauern, denn erst vor ein paar Tagen bekamen wir einen neuen Marschbefehl und ich schreibe dir hier frisch nach einer Schlacht mit den Engländern.
Wir wurden gerade aus Danzig abberufen, um weiter im Süden ein Regiment unserer Brigade, das Garde Grenadier Regiment Nummero 5, zu unterstützen, ein Marsch von fünf Tagen. Die Begeisterung meiner Kameraden war wie die meine, fast nicht existent, aber wir gingen.
Der Weg war alles andere als einfach, denn der Winter setzte uns zu. Ach, wenn du nur wüsstest wie trostlos und karg eine Landschaft sein kann. Es gleicht einer Schneehölle, aber wir marschierten. Als wir schließlich das Lager unserer Freunde erreichten, wurden wir schon sehnsüchtig erwartet und mit großer Freude begrüßt. Unser ehrenwerter Oberst Lorenzi begab sich umgehend zum Regimentskommandeur, Oberst Eberhard von der Lancken. Ein alter, vom dauernden Krieg zerfressener und zynischer Mann, jedoch für den einen oder anderen Schabernack noch zu haben. Und Ich gesellte mich zu den jungen Rekruten, um ihnen Mut und Zuversicht zu zusprechen, denn die Angst war ihnen in die Gesichter geschrieben. Diese jungen Burschen, wahrscheinlich noch zu jung, um jemals ein nacktes Weib erblickt zu haben, aber doch alt genug, um für unser heilig Vaterland zu kämpfen. Das werde ich wohl nie verstehen.
Zwei Tage hatten wir geruht als wir mobil machten und wir fühlten uns bereit den Engländern die Stirn zu bieten. Es ist immer dieses Gefühl von Nervosität und Euphorie zu gleich, welches einen durchströmt, aber das wirst du nicht verstehen, mein Lottchen. Dann marschierten wir los, auf einer kleinen Anhöhe nahmen unsere Kameraden vom Nummero 5 Stellung wir positionierten uns einige hundert Meter weiter unten, um zu nächst das Feuer und die Konzentration auf uns zu lenken. Es ging los. Wir sahen die Engländer auf uns zu marschieren, ich konnte förmlich den widerwärtigen Tee aus ihren Hälsern riechen. Wir legten unsere Musketen an und die erste Salve ging voran. „Feuer!“. Sie fielen, wie die Fliegen dank unserer exzellenten Schießkünste. Als sie sich im direkten Feuergefecht unterlegen sahen, stürmten sie auf uns los, ohne das Nummero 5 zu beachten. Der Nahkampf begann. Ich schlug mich mit zwei Engländern, der ein stach von oben und der andere von unten und ich weiß bis heute nicht, wie ich das überlebt habe. Ich machte einen großen Satz nach vorn, stach schnell zu meiner Linken, drehte mich und erledigte den anderen, gnadenlos. Als die Lage begann ins Schwanken zu geraten, stürmte das Nummero 5 mit Gebrüll los, direkt in den Rücken der Engländer. Sie hatten keine Chance mehr. Die Luft war nur so gefüllt vom Klirren der Bajonette und den Flüchen, die sie uns und wir ihnen an den Kopf waren. Der Schnee war getränkt mit Blut und nun mehr rot als weiß. Es war ein Schlacht, wie sie nicht hätte brutaler sein können, aber wie durch ein Wunder gingen wir nur mit ein paar Verwundeten aus dieser Schlacht hinaus, mich leider eingeschlossen. Aber mach dir keine Sorgen Lottchen, es ist nur ein Kratzer!
Es blieben nicht viele von ihnen übrig, höchstens 50, die sich dann ergaben. Wir nahmen sie gefangen und natürlich behandelten wir sie mit Respekt, da sie doch Soldaten wie wir sind. Soldaten, die für ihr Vaterland kämpfen, uns aber nicht gewachsen waren.
Mein liebes Lottchen, so wär ich doch jetzt gern an deiner Seite. Ich hoffe, dass dich dieser Bericht nicht allzu in Sorgen stürzt! So mache dir keine Sorgen, ich komme heil nach Haus. Gib den Kindern von mir einen Kuss und fühle dich selbst auch geküsst. Wir werden uns wieder sehen!“
In Liebe,
dein Wilhelm